In der Regel muss ein Unternehmer die auf seine Leistung entfallende österreichische Umsatzsteuer selbst berechnen und an das Finanzamt abführen („Umsatzsteuerschuld“). Die Umsatzsteuerschuld trifft daher den leistenden Unternehmer. Für bestimmte sonstige Leistungen (nicht: Lieferungen), die ausländische Unternehmer an inländische Unternehmer erbringen, sieht das Umsatzsteuergesetz (UStG) jedoch zwingend vor, dass der Leistungsempfänger (Inländer) die Umsatzsteuer für die an ihn erbrachte Leistung des ausländischen Unternehmers zu berechnen und an das Finanzamt abzuführen hat. Es kommt daher zum Übergang der Steuerschuld vom leistenden Unternehmer an den Leistungsempfänger (reverse charge). Der leistende Unternehmer haftet nur für die Steuer, falls diese vom Leistungsempfänger nicht an das Finanzamt abgeführt wird. Bei folgenden Voraussetzungen kommt es zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger:
- Der leistende Unternehmer hat im Inland weder einen Wohnsitz noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt.
- Der Leistungsempfänger ist Unternehmer und hat im Inland Wohnsitz (Sitz), gewöhnlichen Aufenthalt oder eine Betriebsstätte.
- Bei der erbrachten Leistung handelt es sich um eine sogenannte „Katalogleistung“ (siehe weiter unten) oder um eine Vermittlungsleistung.
Das reverse-charge-System gilt auch innerhalb der EU, also wenn eine Leistung von einem Unternehmer mit Sitz im EU-Land A an einen Unternehmer mit Sitz im EU-Land B erbracht wird. Im Binnenmarkt ist das reverse-charge-System über die bereits genannten Leistungen hinaus auch bei Beförderungsleistungen und damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen (etwa Umladen) und bei Leistungen an beweglichen körperlichen Gegenständen (wie etwa Reparaturen) anzuwenden. Immer ist für das reverse-charge-System Voraussetzung, dass zwei Unternehmer beteiligt sind. Es gilt nicht, wenn an einen Letztverbraucher geleistet wird. Die wichtigsten Katalogleistungen sind:
- die Leistungen, die der Werbung oder der Öffentlichkeitsarbeit dienen
- die sonstigen Leistungen aus der Tätigkeit als Rechtsanwalt, Patentanwalt, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Sachverständiger, Ingenieur, Aufsichtsratsmitglied, Dolmetscher und Übersetzer
- die rechtliche, technische und wirtschaftliche Beratung
- die Datenverarbeitung
- die Gestellung von Personal
- die Vermietung beweglicher körperlicher Gegenstände, ausgenommen Beförderungsmittel
Kommt das reverse-charge-System zur Anwendung, darf der ausländische Unternehmer in seiner Rechnung keine Umsatzsteuer ausweisen. Tut er dies dennoch, besteht für ihn die Möglichkeit, die Rechnung zu korrigieren. Ein Hinweis auf die Anwendung des reverse-charge-Systems in der Rechnung ist nicht erforderlich, aber zweckmäßig. Reverse charge vor Nullregelung Der österreichische Leistungsempfänger kann die für den Leistenden abzuführende Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machen, sodass die Steuerschuld keine (Mehr)Belastung bedeutet. Das reverse-charge-System hat Vorrang vor der sogenannten „Nullregelung“. Nach der Nullregelung sind Leistungen von ausländischen Unternehmern an österreichische vorsteuerabzugsberechtigte Unternehmer umsatzsteuerbefreit. Die Nullregelung kommt daher nur dann zur Anwendung, wenn keine Katalog- oder Vermittlungsleistung vorliegt. Bei Anwendung der Nullregelung kann der ausländische Leistungserbringer unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls eine Rechnung ohne Umsatzsteuer ausstellen. Er darf aber dann auch keine Vorsteuer in Österreich geltend machen.